STÜCKWERK BERLIN – STÜCKWERK EUROPA
Ein Detailbild des Teppichs

Mädchenköder

Die meisten Workshop-Teilnehmerinnen interessierten sich für die Technik und hatten mit Street-Art wenig bis gar nichts zu tun. Im Gegenteil: teilten sie doch die meist wütenden Meinungen aus den Zeitungen. (Schmierereien! Vandalismus! Ein öffentliches Ärgernis!) Das Motiv des Mädchens fanden viele ansprechend, sie ließen sich auf das Projekt ein. Bei der Umsetzung dieses Motivs haben 15 Leute gearbeitet, und viele entschlossen sich anschließend, ein eigenes Motiv zu verwirklichen.
Bei der Auseinandersetzung mit Street-Art hat sich das Meinungsbild sehr verändert. Insbesondere als sie die Geschichten hinter den Bildern erfuhren. Auch ihre Geschichten sind in den Teppich eingeflossen.

So wählte eine Frau das Bild von Marlene Dietrich, deren Koffer nicht nur weltbekannt wurden, sondern auch deren Inhalt. Auch Jahre nach dem Tod der Dietrich haben viele Stickerinnen Aufträge von Kostümbildnern bekommen. So geschmackvoll und spektakulär die Bühnenkostüme sind, hat mich doch ein anderes Kleidungsstück viel mehr beeindruckt:
Die Näherin erzählte aus der Zeit, als Marlene Dietrich Berlin verließ und im wahrsten Sinne des Wortes die Fronten wechselte – sie ging nach Amerika und unterstützte mit ihren Frontauftritten amerikanische Soldaten, die gegen die Nazis kämpften. Die Frau berichtete:
„Aus der Zeit habe ich noch ein Zeugnis, geschrieben auf Butterbrotpapier – es herrschte Papiermangel.“ Nicht nur Mangel an Papier – so nähte die Mutter ihrer Tochter ein Mäntelchen aus einer rauen, steifen Decke, auf dem Rücken stand groß FUSSENDE.
Weder Mantel noch ein Foto ist geblieben, aber sie hat noch das Köfferchen, das sie bekam, als sie in diesem Mantel zum Schullandheim geschickt wurde.

Diese Geschichten haben die Näharbeit unglaublich bereichert. Ich habe viel über Berlin gelernt und die Näherinnen wiederum haben andere Seiten von ihrer Stadt kennen gelernt.

Auch wenn manchmal die Geschichte erst nach der Näharbeit ans Licht kam: Der Nachtwandler ist auf einem Plattencover der isländischen Band „Sigur rós“ zu sehen, die 1994 in Reykjavik gegründet wurde. Unter anderem zu hören in der TV-Serie Tatort „Nachtgeflüster“, 2007.

Weitere Motive des Teppichs: