Die verlornen Kinder auf den Straßen von Berlin

Die echten Kinder, deren Fotos als Vorlagen dienten, zu suchen, ist unmöglich, denn Kinder können keine Kinder bleiben. Kinderbilder haben eine begrenzte Gültigkeit. Es ist nicht aus-zuschließen, dass die abgebildeten Jungs nun als Jugendliche durch die Stadt stromern. Eine Mauerinschrift, die als Postkarte vertrieben wird, lautet:
„Da hat man laufen
und sprechen gelernt,
dann heißt es maul
halten und still sitzen.“

Aus diesem Grund wurde der Rotzlümmel dem Blonden zur Seite gestellt. Er kam gespiegelt auf den Teppich. Alle Personen, die wir kennen, können wir gespiegelt kaum wiedererkennen. Den wütigen Unbekannten lernen wir erst kennen und akzeptieren das gespiegelte Antlitz: welches im Teppich noch eine andere kompositorische Funktion innehat.
Die Sichtachse, die beim Jungen mit der Steinschleuder beginnt und quer über den Teppich auf die Bombe vor der Blume aus Herzen trifft. Die roten Herzen fliegen bis zum Herz des fallenden Sprayers und werden zur roten Zunge des Rotzlümmels geleitet, welcher den Blick in das lange, rote Rohr der Gasmaske führt und in die obere Hälfte des Teppichs bringt.

Die Rückseite dieser wegweisende Zunge zeigt den Jungen mit dunkler Hautfarbe (Double-face)

Der traurige Junge, der auf einer Bombe sitzt, wurde in kurzer Zeit (mehrteilig) von der Wand gelöst. Seine Verletzbarkeit hat viele wütend gemacht. Ich hörte auch die Interpretation, dass vernachlässigte Kinder, mit denen niemand spielt, irgendwann – später – explodieren. Diese Bemerkung brachte mich zu der Vorlage: Ich sah einen kleinen Jungen in der Hauseinfahrt auf seinem Fußball sitzen. Am liebsten hätte ich ein Foto gemacht, fragte mich ernsthaft, ob ich nicht die Bildrechte bei den Erziehungsberechtigten einholen müsste.

Vielleicht meldet sich, wenn in 50 Jahren der Teppich ausgestellt wird, ein Mann, „ich war's“, mit einer CD in der Hand („Was ist das für eine funkelnde Scheibe?“) und hoffentlich auch einem Abdruck. („Von der Ex meines dritten Stiefvaters unserer Patchwork-Familie!“)
Grüßen Sie ihn: Er war nur kurze Zeit Kind und sein Bild war auch nur kurze Zeit da.