Zeichen setzen.
Die beiden Motive wurden ineinandergenäht.
Zwischen den Kleiderfalten der hochbeinigen Frau verschwinden die Silhouetten der flüchtenden Familie. Ich sah dieses Motiv auf dem Wasserwagen des Vereins „Calada“ beim Karneval der Kulturen 2008. Ich war fasziniert von der Grafik, da man in Sekundenschnelle erfassen konnte, dass es sich nicht um eine sportliche Familie, sondern um Menschen auf der Flucht handelte. Ich hatte keinen Fotoapparat dabei und bat den Verein, mir dieses Bild mailen.
Ich erhielt folgende Antwort:
„ ...dieses Bild ist ein real existierendes Straßen-schild in California/USA.“
Ich fragte mich, wo in Berlin dieses Schild oder Bild angebracht wäre. Bei manchen Schuldirektoraten, die nicht fragen, ob ein Kind ein Aufenthaltsrecht hat, sondern wissen, dass ein Kind ein Recht auf Bildung hat, oder an Arztpraxen, die Menschen ohne Papiere behandeln, oder in der U-Bahn...
Ich beobachtete, wie eine nougatfarbene Frau mit vielen Tüten und Taschen einstieg, daneben setzte sich, wie zum Kontrast, eine blasse Dame mit eleganter Handtasche. Plötzlich kamen die Kontrolleure. Die Hautfarbe der jungen Frau sah aus wie verdorbene Schokolade, ihre Augen weiteten sich, sie erstarrte. Die Dame beugte sie vor und sagte freundlich: „Sie haben Ihren Fahrschein verloren.“ Drückte ihr den Beleg in die Hand. Der Kontrolleur nickte nur gelangweilt und wollte dann von der Dame den Fahrausweis sehen. Sie bedauerte freundlich, er knurrte: „Vierzig Euro!“ Die Dame zahlte das erhöhte Beförderungsgeld, ohne die Miene zu verziehen. Die Bahn hielt. Die junge Frau wollte aussteigen und wandte sie sich stumm fragend an die Frau. Diese machte eine elegante Handbewegung, als würde sie ein Trinkgeld geben. Die Frau mit den vielen Tüten und die Kontrolleure stiegen aus.
„Die hatte doch keinen Fahrschein!“, keifte sogleich ein anderer Fahrgast los.
„Das kann jedem mal passieren“, wies die Dame mit erhobener Stimme den Kerl zurecht, „Keinen Fahrausweis, das ist nicht schlimm. Sie hatte keinen Ausweis und das ist schlimm!“